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Im Übermaß sind sowohl Kälte als auch Hitze lebensbedrohend (Foto: Okea/iStockphoto.com)
Im Übermaß sind sowohl Kälte als auch Hitze lebensbedrohend (Foto: Okea/iStockphoto.com)

Wasser für mehr Vitalität & Energie

Es lohnt sich, auf jeden Fall, die Zeilen im Original nachzulesen, in denen Pfarrer Kneipp beschreibt, wie er die Wasserheilkunde für sich entdeckte. Sie finden sich gleich am Anfang in der Einleitung zur ersten Auflage von „Meine Wasserkur“ und in seiner Autobiographie „Aus meinem Leben“. Kneipp erwähnt dort, dass er monatelang und regelmäßig kalte Bäder in der Donau praktizierte. Dabei ist überliefert, dass die Temperatur im Winter 1849/50 in Dillingen zeitweise unter -10 °C lag. Wöchentlich zwei- bis dreimal nahm er ein kurzes Tauchbad im kalten Fluss. Als Ärztin verwundert es mich schon, dass es durch solche „Behandlungen“ nicht zu einer deutlichen Verschlechterung seines Zustandes gekommen ist. Immerhin war Kneipp ja schwer lungenkrank.

Im Gegenteil, er selbst schrieb: „Müde ging ich hinaus, neu aufgefrischt und gestärkt ging ich jedes Mal heim und ich gewann die Überzeugung, wenn es für mich – nachdem alles Angewendete nichts geholfen – ein Heilmittel gibt, so wird es das Wasser sein.“ Mit der Zeit fühlte er sich zunehmend besser und stärker, er konnte den Vorlesungen wieder folgen, und auch der Appetit kehrte zurück. Damals begann er auch, seine ebenfalls erkrankten Studienkollegen zu behandeln und erlebte so die positiven Effekte der Wasseranwendungen unmittelbar an anderen Personen. Wie ist nun diese wundersame Heilung aus heutiger Sicht zu erklären? Welche Mechanismen im Körper könnten für die kräftigenden, vitalisierenden Wirkungen von kaltem Wasser verantwortlich sein? Die wissenschaftliche Forschung hat uns mittlerweile einige Antworten auf diese Fragen geliefert.

Wundersame Heilung?

Der Mensch als unglaublich kompliziert aufgebauter Organismus ist darauf angewiesen, dass als Basis für alle Funktionen ein möglichst konstantes inneres Milieu aufrechterhalten wird. Als Warmblüter können wir unsere Körpertemperatur in einem sehr engen Rahmen regulieren, damit die chemischen Reaktionen in den Zellen in der richtigen Geschwindigkeit ablaufen. Sowohl Kälte als auch Hitze stören dieses innere Gleichgewicht. Im Übermaß sind sowohl Kälte als auch Hitze lebensbedrohend. Deshalb hat unser Körper ein genau arbeitendes Regulationssystem, das stets und ohne unser Zutun darauf achtet, Temperaturreize von außen möglichst schnell auszugleichen. Trifft ein örtlich begrenzter kalter Impuls den Körper, so erweitern sich sofort die dortigen Blutgefäße, warmes Blut aus dem Körperinneren strömt vermehrt dorthin und gleicht die Kälte aus. Das betroffene Areal erwärmt sich, was wir als angenehm empfinden. Durch die bessere Durchblutung kommt mehr Sauerstoff ins Gewebe. Gleichzeitig kann mehr Kohlendioxid abtransportiert werden. Beides ist günstig und kurbelt den Stoffwechsel an. Kneipp erkannte durch seine Erfahrungen mit vielen Patienten, dass dafür der Kaltreiz nicht allzu intensiv sein muss. Auf der anderen Seite ist schon eine gewisse Herausforderung für den Körper notwendig. Es gibt aber keinen Grund, sich vor den heftigen Kaltanwendungen der Kneipp ́schen Hydrotherapie zu fürchten.

Unsere Regulationsmechanismen und unser Nervensystem lassen sich trainieren. Mit jedem Kaltreiz, den der Körper verarbeitet, wird das zur Steuerung der Reaktion benötigte Nervennetzwerk stärker und antwortet schneller.

Gut zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass wir unsere Regulationsmechanismen und unser Nervensystem trainieren können. Mit jedem Kaltreiz, den der Körper verarbeitet, wird das zur Steuerung der Reaktion benötigte Nervennetzwerk stärker und antwortet schneller. So wie wir Muskeln trainieren, so vernetzen sich beteiligten Nervenbahnen immer dauerhafter – mit dem Effekt, dass die Wiedererwärmung immer rascher erfolgt. In der Medizin wird dieses Phänomen Adaptation genannt. Glücklicherweise haben wir diese Fähigkeit, denn dadurch können wir sogar die intensiven Kneipp ́schen Anwendungen mit der Zeit leichter verarbeiten. Damit erreichen wir ein effektives Kreislauf- und Durchblutungstraining.

Die innere Heizdecke

Ein weiterer Mechanismus kommt erst nach einiger Zeit zum Tragen. Es ist die Zunahme von wärmebildendem braunem Fett. Menschen leben unter jahreszeitlich wechselnden klimatischen Bedingungen, und wenn die Temperaturrezeptoren über mehr als zwei Wochen längere Kältereize wahrnehmen, so beginnt der Körper weißes Speicherfettgewebe in braunes wärmebildendes Fettgewebe umzuwandeln. Die braune Farbe entsteht durch die zahlreich vorhandenen Mitochondrien, die Energielieferanten der Zellen. Diese Art von Fettgewebe verbraucht viel Energie und produziert Wärme. Je mehr braunes Fett wir haben, desto besser können wir uns selbst erwärmen. Das braune Fett ist so etwas wie unsere innere Heizdecke für den Winter. Menschen, die Kältereize vermeiden, bilden dementsprechend wenig davon und frieren leichter.

In seiner Autobiographie schreibt Kneipp auch, dass er sich nach dem Bad in der Donau damals
in seinem Studentenzimmer hingelegt und nachgeruht hat. Ich halte die Nachruhezeit für einen besonders wichtigen Teil der Kneippanwendungen. Die Nachruhezeit garantiert die optimale Wirkung der Hydrotherapie durch eine Entspannungsreaktion. Dann kann der Teil unseres Nervensystems, der für Stressreaktionen zuständig ist, endlich einmal Pause machen. Wenn wir uns mit den Schwierigkeiten des Lebens auseinandersetzen müssen, mobilisiert der Körper alle Kräfte nur für diesen Zweck. Der Schlaf nach einem Guss oder einem Wickel holt uns aus der Anspannung des Alltags heraus und ermöglicht echte Regeneration und Kräfteaufbau. Deshalb sollte man auf die Nachruhezeit nie verzichten.

Wenn die Energiereserven schon sehr reduziert sind, dann kann die Erholung eventuell länger dauern. Man muss dem Organismus Zeit geben, sie wieder aufzufüllen. Die restlichen Kneipp-Säulen sind hier eine wunderbare Ergänzung: gesunde Ernährung, körperliche Bewegung, Heilkräuter und last but not least eine positive Einstellung.

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